9. Februar 2017

Das mediale Kesseltreiben gegen Trump. Nachtrag



Die konzertierte Treibjagd im Jurassic Park der vierten Gewalt auf den gefährlichsten Predator unserer Zeit, nimmt mitunter Züge an, denen man eine gewisse Ironie nicht absprechen kann. Die amerikanische Ausgabe der ursprünglichen rein britischen Wochenzeitschrift "The Week" hat auf dem Titelbild ihrer amerikanischen Ausgabe vom 28. Oktober 2015, gut zehn Tage vor der Wahl, ihre Leser auf die erwartbare Reaktion der Fans des Trumposaurus Rex, der Dunkelamerikaner und deplorablen Abgehängten vorbereitet. Die sich nicht mit ihrer unausweichlichen Niederlage abfinden würden (wer weiß: vielleicht würden sie am Ende gar Moskaus Cybernauten beschuldigen, die Wahl manipuliert zu haben - "if they think it's stolen"?), im Gegensatz zu den Parteigängern Frau Clintons, die eine (absolut unwahrscheinliche) Wahlniederlage enttäuscht, niedergeschlagen, aber gefaßt akzeptieren könnten, wie es der langen demokratischen Grundierung im Land of the Free entspricht. 




(Proteste an der University of California Berkeley gegen einen geplanten Auftritt des für das Internetmagazin Breitbart schreibenden Kolumnisten Milo Yianninopoulos vor sechs Tagen)

Der Auftritt von Yianninopoulos, der vielen als einer der schärfsten, polemischsten Kolumnisten bei Breitbart gilt, vor einer der dortigen Studentenvereinigungen wurde abgesagt, nachdem die Demonstranten dort einen Sachschaden von mehr als $ 100.000 hinterlassen hatten und im weiteren Umfeld ein Starbucks plünderten, "Kill Trump!"-Grafittos hinterließen, Geldautomaten zertrümmerten und eine Bankfiliale "entglasten" (wie der beständige Ausdruck ihrer deutschen Kollegen lautet), ein Schadenswert, den der Geschäftsvorsitzende der Downtown Berkeley Association auf eine gute halbe Million Dollar taxiert hat. Darüber hinaus wurden mehrere echte oder vermutete Trump-Anhänger mit Pfefferspray angegriffen und krankenhausreif geschlagen. Mittlerweile ist die Bundespolizeibehörde in die Ermittlungen eingeschaltet worden, zumal es Hinweise gibt, daß hier nicht eine kleine Störergruppe von Außenstehenden, ganz in der Tradition des hierzulande bekannten "Schwarzen Blocks" maskiert und gewaltbereit eine friedliche Protestveranstaltung "aufgemischt" hat, sondern Angestellte der Universität Berkeley daran beteiligt waren.  

*   *   *

Nun könnte man das noch, ungeachtet aller strikten Verurteilung, bei dem Bestehen darauf, daß das strafrechtlich geahndet werden muß und wird, noch unter die wohl unvermeidbaren Erscheinungen der linken Antifa, ihrer Gewaltbereitschaft und -fixierung rechnen, die auch bei uns regelmäßig an ihren Hohen Tagen von Frankfurt bis Berlin Trümmerschneisen hinterläßt, wenn es "gegen das Kapital" geht, gegen politische Tschandalas und die Treffen der Spitzen von Politik und Wirtschaft, gegen "Neoliberalismus" und "die Globalisierung" - ohne daß man in diesen Kreisen einen Schimmer davon hätte, daß der Siegeszug der Globalisierung mit der Erfindung von Eisenbahn und Dampfschiffahrt besiegelt war und nichts außer ihr, schon gar kein Protest, keine Ideologie und kein Einfordern von "sozialer Gerechtigkeit" der Menschheit Wohlstand und Sicherheit gebracht haben. (Ein Befund, der noch zugespitzt werden kann: denn erst die Früchte dieser Globalisierung ermöglichen es den Protestierern, den "Seattle People", wie sie im Kielwasser des ersten kopfstarken "Widerstands" gegen das Jahrestreffen der WTO, der Welthandelsorganisation 1999, genannt worden sind, ihrer "Widerstand" großflächig und medienwirksam zu inszenieren. Aber das wäre ein Kategorienfehler: ideologisch motivierter und genährter  Protest schert sich nicht um Tatsachenbefunde und wird dies auch in Zukunft nicht tun.)

Bedenklich wird es, wenn die Medien beginnen, solche Gewalt zu begrüßen und zu rechtfertigen. Und ein solcher Trend scheint sich leider in manchen Segmenten der US-Amerikanischen Medien anzudeuten. In der Zeitschrift "The Daily Californian" ist vorgestern eine Serie von fünf Leitartikeln veröffentlicht worden, die von den Herausgebern unter das Motto "Violence as self-defense" gestellt worden sind: Gewaltanwendung als Selbstverteidigung. In den Beiträgen heißt es unter anderem:
To people with platforms who decide when a protest should and should not be violent: You speak from a place of immense privilege. (Nisa Doug)
"Euch" - also denen, die auf Zurückhaltung und Friedfertigkeit bestehen - wird beschieden: Ihr seid "privilegiert", "Euch" steht dergleichen deshalb gar nicht zu. Vor einigen Jahrzehnten hieß derselbe Bescheid bei uns "Das bestimmen wir!" Wer sich gegen Gewaltausübung einspricht, ist ein Haßprediger.
Condemning violence is the same as condoning hate speech (Desmond Meagley, Reporter for Youth Radio)
Und schließlich:
Violence helped ensure safety of students
 Arguments on campus, on the other hand, revolve around students defying the acts the AntiFas  —  an anarchist and anti-fascist group that uses black bloc techniques to meet its ends  —  took that night. They want to ensure that there is a distinction between the rioters and the students who were there to protest peacefully.
 Well, I’m here to thank the radical measures the AntiFas took to ensure my safety. (Juan Prieto)

(Nota bene: Daß die Antifa nicht etwa friedliche Demonstranten als Deckung ausnütze, um ihren Gewaltorgien frönen zu können, sondern durch ihr Treiben "den Unterschied" zwischen beiden Lagern betonen wollte, ist freilich eine kampfrhetorische Volte von gewisser Originalität.)

Gewalt ist Sicherheit. Das erinnert wohl nicht zufällig an die drei Staatsmotti an der Front eines fiktiven Ministeriums in einem etwas älteren Roman, der in den letzten Wochen in den USA beim Versand Amazon -  wenn auch wohl aus völlig falsch verstandenen Gründen: auch hierin dürfte für spätere Chronisten eine vielsagende Ironie sichtbar sein - an der Spitze der meistverkauften Belletristiktitel steht: Krieg ist Frieden, Unwissenheit ist Stärke, Freiheit ist Sklaverei.

Man könnte, wenn man auf mildernde Umstände erpicht ist, einwenden, der "Daily Californian" (der, ungeachtet seines Titels, viermal pro Woche erscheint) sei, von Herkommen und vom Stab der Autoren her, eine Studentenzeitung, mit Hauptaugenmerk auf das Campusgeschehen und der radikalisierten Grundierung der meisten seiner Zuträger, die seit "1968" so viele universitäre Biotope auf beiden Seiten des Atlantiks grundiert. Nur handelt es sich nach eigenem Verständnis durchaus um eine reguläre Zeitung, ein Blatt, das Volontäre und angehende Autoren als erste Praxisstation durchlaufen und das, bei aller "radikalen Haltung", von anderem Kaliber ist - oder sein sollte - als die hektografierten Kampfschriften der K-Gruppen der frühen siebziger Jahre.

*   *   *

Donald Trump übt sein neunzehn Tagen sein Amt als Präsident der Vereinigten Staaten aus. Die in einem Paroxysmus aus schäumender Wut und Besinnungslosigkeit anscheinend unentrinnbar gefangenen Medien haben in dieser kurzen Spanne (zugegeben: ein wenig Warmlaufen haben sie sich ja im Vorfeld schon gegönnt) ein Stadium erreicht, das an die gewalttätige Selbstradikalisierung der radikalen Linken im blutigen Kielwasser der ausgebliebenen Weltumkrempelung von 1968 erinnert. Und diese Selbstradikalisierung hat nichts mit einem angeblichen Versagen des demokratischen Systems, mit einem halluzinierten Untergang von Rechtsstaatlichkeit zu tun, sondern mit der willentlichen Blindheit einer Medienmeute, die es nicht mehr als ihr Ziel sieht, ihr Publikum über den Zustand der Welt zu informieren, sondern diesen Zustand nach eigenem Gutdünken selbst zu bestimmen. Und darin sie sich mit den politischen Ideologen aller Zeiten einig. Es wird interessant sein zu beobachten, welche Entwicklung dieser kognitive und affektive kollektive Amoklauf in den nächsten 1442 sicheren (und 2903 möglichen) Tagen seiner Präsidentschaft nehmen wird.


­
Ulrich Elkmann

© Ulrich Elkmann. Für Kommentare bitte hier klicken.